Dreamforce 2012 – oder: „Salesforce.com – Ein Hidden Champion?“

Montag – Nach einer langen Woche in Kalifornien bin ich wieder zurück und kann das – man kann es nicht anders nennen – „Dreamforce Happening“ Revue passieren lassen. Wie auch immer salesforce.com das anstellt, die Kundenveranstaltung, die ich nun zum zweiten Mal vor Ort erleben durfte, zieht nicht nur viele Teilnehmer an, sondern verbreitet durchweg eine positive Stimmung. Ein Gradmesser war für mich u.a. der letzte Veranstaltungstag, ein Freitag. Normalerweise ist bei solchen Veranstaltungen der letzte Tag der „Abreisetag“ und es spielt sich nicht mehr viel ab. Doch hier waren an den Ständen der ausstellenden Partner bis zum Schluss Gespräche im Gange und meine Lieblingsveranstaltung – die Fragestunde der Kunden mit CEO Marc Benioff und Mitbegründer Parker Harris – war gut besucht.

Doch der Reihe nach: „Social“ war wie vergangenes Jahr eines der meistbenutzten Wörter überhaupt. Ich persönlich kann mich mit diesem Term nicht wirklich anfreunden, denn es ist kein universeller Ausdruck, der in einer globalen Welt überall und von jedem gleich verstanden wird. Auch Salesforce.com hat diese Erfahrung machen müssen und entsprechende Konsequenzen daraus gezogen. Die im Zusammenhang mit „Social“ oft getroffenen Aussagen, „Revolution“ oder „Transparenz und Vertrauen seien die neue Währung“, stießen auch bei mir nicht wirklich auf Gegenliebe. Und dass „Business Social“ ist, sollte auch nichts Neues sein. Ehrlich gesagt brachte es eine Aussage der Commonwealth Bank auf den Punkt: „bring back trust and transparency“. Sprich, aus meiner Sicht handelt ist es keine Revolution, sondern eher eine Renaissance altbekannter Tugenden. Schon immer waren (bei einigermaßen freien Märkten und freiem Marktzutritt) neben einem guten Produkt, einem guten Service und einer entsprechenden Preisgestaltung eine gute Kundenbeziehung Grundpfeiler für den Erfolg. Und dazu gehörten auch schon immer Transparenz und Vertrauen, oder nicht? Die IT ist hier nicht „revolutionär“, sondern bringt Licht ins Dunkel und nutzt somit altbekannte Erfolgsvariablen im Kontext einer globalen und virtuellen Welt.

Doch neben den philosophischen Ausflügen, die an anderer Stelle vertieft werden sollten, gab es natürlich jede Menge an bereits umgesetzten bzw. in Aussicht gestellten Funktionalitäten. Dabei fiel meine Aufmerksamkeit insbesondere auf diese beiden Bereiche: Salesforce.com’s Work.com und Data.com Social Key.

Mit Work.com (voraussichtlich im 4. Quartal 2012 allgemein verfügbar) bietet salesforce.com Teile eines Performance Managements an. Die ersten Eindrücke sind positiv und auch die Resonanz der Kunden belegt dies. Maureen Paradine, SVP der Personalabteilung bei1-800-Flowers.com brachte es hinsichtlich der Akzeptanz für Work.com auf den Punkt:„…früher mochte keiner diese Prozesse, jetzt werden weitere Funktionalitäten nachgefragt.“ Nicht nur dies ist ein deutlicher Hinweis, dass Salesforce.com seine Work.com-Funktionalitäten ausbauen und in bisher „nicht-CRM“-relevantes Gebiet vorstoßen wird. Unterstützt wird diese Aussage von Antworten der entsprechenden Produktverantwortlichen, dass man großes Potential sähe und dort, wo es sich lohnt, auch aktiv werden würde. Interessant wird auch sein, inwieweit die neue Partnerschaft mit Amazon.com, bei der Unternehmen ihre Mitarbeiter direkt innerhalb von Work.com belohnen und motivieren können, in Ländern außerhalb der USA eingeführt wird. Belohnungen und Motivation mithilfe von Gutscheinen ist in dieser Form nicht überall bekannt und verbreitet, und wer weiß – evtl. bringt die Technologie einen wahren Kulturwandel mit sich.

Data.com Social Key ist ein weiterer Schritt der bereits angebotenen Möglichkeiten, Daten aus den verschiedensten sozialen Netzwerken abzurufen. Diese Funktionalität erleichtert (wie auch die Social Advertising) vielen Vertriebs- und Marketingmitarbeitern die Arbeit und stößt sicherlich auf Gegenliebe. Doch auch wenn diese abgefragten Daten einmal öffentlich zugänglich gemacht wurden, so taucht aus meiner Perspektive wieder die Frage nach der Datenhoheit auf. Das „Recht auf Vergessenwerden“ kann schnell ad absurdum geführt werden, denn selbst wenn man irgendwann in allen sozialen Netzwerken seine Daten löschen sollte, so weiß man nicht unbedingt, welches Unternehmen diese Daten bereits in seiner Datenbank gespeichert hat. „Privacy by Design“ könnt eine Antwort sein und sollte von Salesforce.com und seinen Partnern in Betracht gezogen werden. Und somit könnte man eine vermeintliche Schwachstelle in einen Vorteil umkehren.

Folgendes ist aus meiner Sicht festzuhalten:

Salesforce.com

Das Unternehmen wächst nicht nur gemessen an seinem Umsatz, sondern auch an seinen Mitarbeitern. Auch wenn es noch lange nicht die Dimensionen von SAP oder Oracle erreicht hat, so ist dennoch essentiell die Unternehmenskultur zu pflegen um weiterhin die Unterstützung der Mitarbeiter zu erhalten, und damit das ganze Unternehmen agil zu halten.

Kunden

Salesforce.com baut konsequent seine Vision und seine bestehenden Produkte aus. Mit Work.com wird nun auch eine veritable Alternative zu bestehenden Lösungen am Markt angeboten. Kunden, die auf einen Anbieter und somit eine Plattform setzen, sollten Salesforce.com entsprechend nach weiteren Plänen in diesem Gebiet fragen.

Kunden, die Data.com Social Key verwenden wollen, sollten das Thema Datenhoheit auf dem Radar haben. Eine proaktive Haltung durch Transparenz in der Kommunikation kann das eher negativ besetzte Thema in ein positives verwandeln und so ein Unterscheidungsmerkmal zu anderen Unternehmen darstellen.

Partner

Das Beispiel Work.com zeigt, dass Salesforce.com in weitere Bereiche expandieren wird. Somit ist auch klar, dass es Chancen für Partner geben wird doch auch, dass das Unternehmen in Bereiche vordringen könnte, die zur Zeit noch von Partnern besetzt sind. Partner sind angehalten, die Entwicklungen genau zu beobachten und durch (Weiter-)Entwicklung ihrer Kernkompetenzen und spezifischen Angebote entsprechende „Blind Spots“ zu besetzen.

Wettbewerb

John Wookey, EVP Social Applications, ein gestandener Mann mit reichlich Erfahrung in der Entwicklung und dem Geschäft mit Unternehmensanwendungen, machte es in einer Fragestunde zu Work.com deutlich. Jede Anwendung wird neu betrachtet, neu gedacht und neu entwickelt. Und es blieb der Eindruck haften, dass damit langfristig weit mehr als das gegenwärtige Spektrum von Work.com gemeint war. Ferner kann sich das Unternehmen auf seine Cloud Computing-Lösungen konzentrieren und somit schneller agieren und besser Kundenwünschen entsprechen. Etablierte Anbieter wie Oracle und SAP, aber auch Anbieter von geringerer Größe, müssen sich auf zunehmenden Wettbewerb in allen Bereichen gefasst machen und entsprechende Gegenstrategien zur Hand haben.

Schlussendlich zurück zur Überschrift: Warum sollte salesforce.com ein sog. „Hidden Champion“ sein? Zwei Voraussetzungen – salesforce.com ist im Bereich CRM eines der führenden Unternehmen und der Jahresumsatz des Unternehmens – entsprechen noch der entsprechenden Definition. Das Merkmal, „in der Öffentlichkeit kaum bekannt“ zu sein, trifft teilweise zu. Daher auch meine Analogie. Salesforce.com kommt mir ein bisschen wie Google vor. Bei Google denkt man zuerst an die Suche, und bei salesforce.com an seine CRM-Angebote. Doch Google bietet mittlerweile eine Vielzahl weiterer Dienste an – wie salesforce.com auch. Spätestens bei einem Besuch auf der Unternehmenswebseite wird einem deutlich, dass es neben CRM (Sales Cloud) einiges mehr gibt, wie etwa die Plattformen und nun auch Work.com. Wenn man dann noch das Joint Venture FinancialForce.com in Betracht zieht, wird daraus ein nicht zu vernachlässigendes Portfolio. Was fehlt, ist die SCM-Komponente, doch es würde keinen verwundern, wenn früher oder später auch auf diesem Gebiet ein entsprechendes Angebot entstünde.

Nun, ich bin mir nicht sicher, ob die Interessenten, Kunden und der Markt das Unternehmen unterschätzen oder/und es eine Unternehmensstrategie ist, eher unterschätzt zu werden. Denn damit entzieht man man sich dem Druck und kann sich auf seine Prioritäten konzentrieren. Im Endeffekt ist es egal: Nach meiner Meinung ist Salesforce.com immer im Auge zu behalten!

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